Wirksames Energiemanagement ist eine wesentliche Voraussetzung für aktiven Klimaschutz, Schonung von Ressourcen und spürbare Kosteneinsparungen – und zwar längst nicht nur für energieintensiv produzierende Konzerne. Den Rahmen für die Implementierung eines Energiemanagementsystems zur Verbesserung der Energieeffizienz bietet seit dem Jahr 2011 die Energiemanagementnorm ISO 50001. Um ihre Anwendbarkeit zu verbessern und eine Anpassung an die gemeinsame ISO-Grundstruktur vorzunehmen, wurde die Norm nun eingehend überarbeitet und am 21. August 2018 – früher als einst erwartet – als ISO 50001:2018 in englischer Sprache neu veröffentlicht; inzwischen ist die Norm auch auf Deutsch erhältlich.
Seit 2016 wurde an der Revision von ISO 50001 gearbeitet, und dies nicht nur zur Anpassung an die gemeinsame Grundstruktur der ISO Managementsystemnormen (High Level Structure – HLS), sondern auch um Schwachstellen zu beseitigen, die sich in den ersten fünf Jahren in der Praxis nach und nach gezeigt hatten. Während die Umstellung auf die HLS geprägt war von der Einführung gemeinsamer Normkapitel, Managementansätze, Textbausteine und Begriffe, wurden bei den energiespezifischen (technischen) Themen z. B. bei der „energetischen Bewertung“ oder der Bildung und Beurteilung von Kennzahlen konkrete Verbesserungen vorgenommen und die entsprechenden Anforderungen präziser formuliert. Das grundsätzliche Konzept der Norm ist hingegen erhalten geblieben. Welche Änderungen sich aus der HLS ergeben, können Sie auf Seite 3 nachlesen, die wesentlichen energiespezifischen Neuerungen, und was diese für ein Unternehmen bedeuten, stellen wir Ihnen in der folgenden Fallstudie vor.
Wir denken uns ein mittelständisches Unternehmen, beispielweise aus der Stahlbranche. Das Unternehmen liefert Bauteile für die Motorenherstellung, die in der eigenen Gießerei gefertigt werden. Dort arbeiten ca. 200 Mitarbeiter im Produktionsprozess (Gießerei ca. 35, Teilebearbeitung ca. 165) mit einem Output von ca. 1000 t geschmolzenem Eisen (monatlich) im Bereich der Gießerei sowie einer Anzahl daraus gefertigter Bauteile wie Zahnräder, Schwungräder etc. in der Teilebearbeitung im Mehrschichtbetrieb. Welche wesentlichen Änderungen kommen auf ein solches Unternehmen beim Umstieg auf ISO 50001:2018 zu?
Die energetische Bewertung, die von der neuen Energienorm als „taktischer“ Teil des Energieplanungsprozesses bezeichnet wird (Bild A.2 im Anhang der Norm), ist nun definiert als „Analyse der Energieeffizienz, des Energieeinsatzes und des Energieverbrauchs (das sind die messbaren Ergebnisse der energiebezogenen Leistung), basierend auf Daten und anderer Information, die zur Identifizierung von SEUs und von Möglichkeiten zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung führt“ (Begriffe, 3.5.5). Die englische Abkürzung „SEU“ (significant energy use) meint auf Deutsch „wesentlicher Energieeinsatz“. SEU steht dabei für die Bereiche, in denen der wesentliche Energieeinsatz stattfindet; gemeint sind z. B. „Anlagen, Systeme, Prozesse oder Einrichtungen“. Die Forderung nach Betrachtung der SEU ist dabei expliziter geworden. So müssen nun für die nach bisherigem Verfahren identifizierten wesentlichen Bereiche (SEU) genau betrachtet werden. Für jeden SEU muss Folgendes bestimmt werden:
Die Ergebnisse der energetischen Bewertung werden zur Betrachtung von Risiken und Chancen herangezogen (Kap. 6.1), gehen in den Energieplanungsprozess ein (Kap. 6.2) und liefern Informationen für den Kontext der Organisation (Kap. 4.1). Wichtig ist, die Bereiche genauer zu beleuchten und Kennzahlen sowie Variablen für diese Bereiche abzubilden. Dies muss als Teil der energetischen Bewertung zur Nachweisführung dokumentiert werden. Die Änderung des Ablaufs der energetischen Bewertung besteht im Wesentlichen darin, dass in der alten Normversion zuerst der künftige Energieeinsatz und Energieverbrauch einzuschätzen war und dann erst Möglichkeiten zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung identifiziert und priorisiert werden mussten – nun ist es sinnvollerweise umgekehrt, wie aus den Unterpunkten d) bzw. e) von Kapitel 6.3 (energetische Bewertung) hervorgeht. Der Grund leuchtet ein: Es ist tatsächlich sinnvoll, den künftigen Energieeinsatz und Energieverbrauch erst dann abzuschätzen, wenn die identifizierten Verbesserungsmöglichkeiten berücksichtigt werden können.
Das Unternehmen hat zunächst den gesamten Energieverbrauch mit allen Energiearten bestimmt (Strom ca. 28 GWh p. a., Gas 2,6 GWh p. a., Fernwärme 2GWh p. a.). Bei der Überlegung, wieviel Energie zu welchen Teilen wo im Unternehmen eingesetzt wird, konnte ermittelt werden, dass auf die elektrisch betriebene Schmelze mit Induktionsöfen knapp 37 % der Gesamtmenge an Energie, vorwiegend aber Strom (ca. 10 GWh p. a.) entfällt. Damit wurde auf der Basis der eigenen Kriterien (hier ab 10 % Anteil am Gesamtverbrauch) der Bereich „Schmelze“ als wesentlicher Bereich (SEU) ermittelt. Für den Bereich „Schmelze“ sind nun folgende Punkte zu definieren: Personal mit Einfluss auf den Energieverbrauch und die Effizienz der Schmelze (vorzugsweise Entscheider), eine Energieleistungskennzahl EnPI (z. B. kWh Strom pro geschmolzene Tonne Eisen) und relevante Variablen. Das Unternehmen beleuchtet also den Schmelzbereich und überlegt gemeinsam, welche sich verändernden Einflussfaktoren die Schmelzleistung beeinflussen könnten (z. B. gefahrener Produktmix, also effektiv produzierte Stahlqualitäten, Jahreszeiten etc.).
ISO 50001:2018 unterscheidet zwischen zwei Arten von Einflussfaktoren. Relevante Variablen sind quantifizierbare (erfassbare, messbare) Faktoren mit wesentlichem Einfluss auf die energiebezogene Leistung und der Eigenschaft, sich ändern zu können (variabel zu sein), z. B. Produktionsmengen, Wetter, Innentemperaturen etc. Auch statische Faktoren beeinflussen wesentlich die energiebezogene Leistung, sind aber, wie der Begriff bereits nahelegt, vergleichsweise unveränderlich und gelten als bereits ermittelt, z. B. Einrichtungsgrößen, Portfolio, Ausrüstung, Gebäude etc. (Kap. 3.4.8 / 3.4.9). Die dazugehörigen Anforderungen in Kurzform:
Es ist wichtig zu differenzieren, dass die variablen Einflüsse im Schwerpunkt bei den SEU und deren Kennzahlen zu berücksichtigen sind (Kap. 6.3 ff). Die statischen Faktoren jedoch können bei einer Änderung zur Anpassung der energetischen Ausgangsbasis (EnB) führen. Wenn beispielsweise ein neues Gebäude errichtet, ein völlig neues Produkt in das Portfolio aufgenommen und gefertigt wird (z. B. Aluminiumkomponenten) oder eine Fertigungslinie nach dem neuesten Stand der Technik umgerüstet wird, so firmiert diese Änderung eines statischen Faktors unter Umständen unter einer wesentlichen Änderung im Unternehmen und führt damit zu einer Anpassung der EnB für den entsprechenden Bereich. Dabei ist es weiterhin zulässig, mehrere Ausgangsbasen innerhalb einer Organisation zu bilden. Wichtige Aufgaben in der Praxis sind besonders die Berücksichtigung der Variablen bei der Kennzahlenbildung und deren Verifizierung. Variablen mit wesentlichem Einfluss müssen erfasst und deren Daten weiterverarbeitet werden. Das bedeutet im Hinblick auf die Datenerfassung, dass im Sinne des Energiemanagementsystems weitere Betriebsdaten herangezogen werden müssen, um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen. So könnte es sein, dass die EnPI „Energieverbrauch in kWh bezogen auf Betriebsstunden“ für das eine Unternehmen aussagekräftig ist, für ein anderes aber nur unter Berücksichtigung des Produktmixes und der Auftragslage eine effektive Aussage über die energiebezogene Leistung bietet. Die Aussagekraft der Kennzahl und die Abhängigkeit von bestimmten Variablen muss bewiesen und dokumentiert werden, um die Verbesserung der energiebezogenen Leistung nachweisen zu können.
Der Nachweis über die Verbesserung der energiebezogenen Leistung muss gemäß Zertifizierungskriterien (ISO 50003) erbracht werden. Eine Auswahl von
Möglichkeiten in Anlehnung an ISO 50006 steht hier zur Verfügung, z. B.
Besondere Beachtung gilt dabei der rückwirkenden Betrachtung. Findet z. B. ein Audit im Jahr 2019 statt, muss ein Unternehmen bis dahin eine Verbesserung bereits für das Jahr 2018 nachweisen können. Die Anforderung nach dem Nachweis fortlaufender Verbesserung steht in Kap. 10.2 und wird als „wiederkehrende Tätigkeit zum Steigern der Leistung“ definiert (3.4.12). Der Anhang (A.4) erläutert, dass der Nachweis der fortlaufenden Verbesserung der energiebezogenen Leistung nicht alle EnPI-Werte einschließen muss, es reicht also, wenn eine Verbesserung mit Blick auf den gesamten Anwendungsbereich vorliegt. Nach Anhang A.10 sollen Verbesserungen periodisch erfolgen, Häufigkeit, Umfang und Zeitrahmen der Maßnahmen orientieren sich am Kontext, an wirtschaftlichen Faktoren und anderen Umständen. Nach ISO 50003 ist eine Verbesserung der energiebezogenen Leistung bei jedem geplanten Audit nachzuweisen, also jährlich. Die Reduzierung des Gesamtverbrauchs ist als Nachweis nur akzeptabel, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht oder nur unwesentlich geändert haben. Es ist aber möglich, sowohl für das gesamte Unternehmen als auch im Rahmen von Einzelmaßnahmen eine Leistungssteigerung als Verbesserung anzubringen. Dies soll verhindern, dass Effizienzmaßnahmen wie das Umrüsten einer Anlage oder die geänderte Steuerung von Kompressoren gegenüber einer Steigerung der Auftragslage und damit einer Erhöhung des Gesamtverbrauchs innerhalb des Unternehmens verlorengehen. Nach den Erläuterungen im Anhang können auch Fortschritte bei der Energiezielerreichung angeführt werden; was nicht automatisch die Zielerreichung bedingt, sich aber auf längerfristig laufende Projekte, Tätigkeiten und Maßnahmen und der bis dato erreichten Verbesserung beziehen kann.
Sobald also die Verbesserung beispielsweise durch die Umrüstung oder durch die Kompressoren-Steuerung quantifizierbar nachgewiesen werden kann (z. B. durch Steigerung der Effizienz / Wirkungsgrade der Kompressoren im Verbund), kann dies bei entsprechender Verhältnismäßigkeit ebenso als Verbesserung der energiebezogenen Leistung herangezogen werden. Zugleich kommt es bei der Verhältnismäßigkeit darauf an, auch die zuvor bestimmten SEUs im Blick zu behalten.
Wollte man die Revision von ISO 50001 auf den Punkt bringen, dann etwa so: Die neue Energiemanagementnorm punktet mit gemeinsamer Grundstruktur, präziseren Anforderungen und gleichbleibendem Kernkonzept! Sie bringt eine erfrischende Logik besonders in das Herzstück: in die energetische Bewertung und damit zusammenhängende Themen wie Kennzahlen, Verbesserung der Leistung und Datenerfassung! Sie ist die Kombination aus konkreteren Anforderungen unter dem Freistellen von mehr Freiheitsgraden – insbesondere solche, die technisch sinnhaft sind!
Ihre Fragen beantworten wir gerne. Schreiben Sie an: energie(at)dqs.de
Allgemein
Änderungen aus der HLS
Energiespezifische Änderungen
Die grundlegenden inhaltlichen Änderungen durch die Anpassung an die gemeinsame Grundstruktur sind bereits aus ISO 9001:2015 (Qualität) und ISO 14001:2015 (Umwelt) bekannt. Neben der ebenfalls grundlegenden Anforderung nach vollumfänglicher Einbindung des Energiemanagementsystems (EnMS) in die Strategie und die Geschäftsprozesse eines Unternehmens stehen weitere zentrale Themen im Vordergrund, wie:
Die Energiemanagementnorm hat ihre Wurzeln in dem europäischen Regelwerk EN 16001 (nicht zu verwechseln übrigens mit der Norm ISO 16001, die sich mit Objekterkennungssystemen für Erdbaumaschinen befasst), das im Jahr 2009 erschien, aber schon 2011 von ISO 50001 abgelöst wurde. Der wesentliche Unterschied zur europäischen Norm war die Einführung neuer Begriffe, wie „energetische Bewertung“ oder „energetische Ausgangsbasis“ (letzte gab es in EN 16001 nicht), aber auch konkretere Anforderungen an ein EnMS. Verzichtet wurde hingegen u. a. auf die sog. Veröffentlichungsvorgabe und den externen Benchmark. Als ISO 50001 im Jahr 2011 erschien, war die heute als Standard bekannte „gemeinsame Grundstruktur“ der ISO-Managementsystemnormen (HLS) noch in der Entwicklung, und konnte in der neuen Energiemanagementnorm noch keine Anwendung finden. Solche ISO-Normen werden jedoch alle fünf Jahre auf evtl. notwendige Anpassungen überprüft, was ab 2016 zu der nun abgeschlossenen Revision und der Herausgabe der neuen Version als ISO 50001:2018 geführt hat. Welche Änderungen und Verbesserungen die Revision mit sich gebracht hat und was Sie mit Blick auf den Übergang auf die neue Norm zu beachten haben, finden Sie auf diesen Seiten.
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